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thumb Kristin KimmichMenschen im Hospiz

Kristin Kimmich

In der Villa Auguste arbeitet die gelernte Pflegefachkraft seit 2003, zunächst im stationären Hospiz, bevor sie 2009 Teil des damals neu aufgestellten Brückenteams wurde. Es bietet spezialisierte ambulante Palliativversorgung (SAPV) an, betreut schwerstkranke und sterbenden Menschen im Großraum Leipzig, um ihnen ein würdevolles Leben in ihrer vertrauten Umgebung zu ermöglichen. In den gut 15 Jahren seines Engagements hat das Brückenteam weit über 7.000 Begleitungen geleistet. Im Gespräch gibt Kristin Kimmich (41) Einblick in einen Arbeitsalltag zwischen pragmatischer Hilfe, Empathie und Verantwortung.

Wie haben Sie den Start im Brückenteam erlebt?

Kristin Kimmich: Ich wurde damals von Schwester Paula und Schwester Bärbel, der ersten Brückenschwester und Mit-Initiatorinnen des Projekts, angesprochen. Anfangs hatte ich noch meine Zweifel wegen der Herausforderungen und hohen Verantwortung. Man macht die Hausbesuche ja oft alleine, hat nicht den geschützteren Rahmen des stationären Hospizes, wo man einen Kollegen am Patientenbett um Rat und Unterstützung fragen kann. Ambulant ist es meist eine telefonische Absprache mit dem Arzt, um eine Entscheidung zu treffen. Meine Sorge, ob ich dafür genug Erfahrung mitbringe oder dass man Dinge falsch machen könnte, hat sich im Tun dann nach und nach gelegt und ich habe mit den Jahren mehr Gelassenheit entwickelt. Es gibt jetzt seltener Situationen, in denen ich mich frage, wie wir jetzt weiterkommen. Die Erfahrung bestärkt, dass wir viel regeln und bewegen können. Und wenn eine Situation nicht alleine zu meistern ist, dann ist immer Verlass auf meine Kolleginnen, Ärzte und Pflegekräfte.

Zu den Herausforderungen zählt sicher auch, dass Sie nicht wissen, was Sie vor Ort erwartet. Sie kommen zu fremden Menschen in einer Ausnahmesituation.

Ja, man ist zu Gast, muss sich an die jeweilige Situation und an die häuslichen Gegebenheiten anpassen. Man muss damit zurechtkommen, womit man arbeiten und was man jeweils ermöglichen kann. Natürlich in Absprache mit den Patienten, den pflegenden Angehörigen und dem Pflegedienst. Das sind sehr unterschiedliche Hoffnungen und Erwartungen. Wenn sie dann in ersten Gesprächen und beim Hausbesuch verstehen, was wir anbieten und möglich machen können, dann merken die Menschen meist schnell, wie hilfreich wir sein können und werden durchaus offen und zugänglicher. Das sind ganz konkrete Dinge wie zum Beispiel, dass wir recht schnell Hilfsmittel organisieren, dass wir die Medikamente zügig durch die Apotheke liefern lassen können, dass wir die 24-Stunden-Rufbereitschaft ermöglichen und dann eben kein Vertretungsdienst wie ein Notarzt oder Krankenversicherungsdienst gerufen werden muss, wenn der Hausarzt am Wochenende nicht erreichbar ist. Oder dass wir Pflegedienste organisieren, Pflegeanträge stellen, diese Hürden überwinden helfen. Trotzdem hat es für manche auch etwas Angst auslösendes, weil der palliative Gedanke das Lebensende näher ins Bewusstsein bringt.

Konzentrieren Sie sich auf die praktische Unterstützung für die körperliche Versorgung oder gibt es auch seelsorgerische Anteile?

Die emotionale Seite schwingt ja immer auch mit. Oft ergeben sich so ausgerichtete Gespräche spontan, vielleicht wenn man eine Diagnose bespricht und etwas, sensibel formuliert, ausgesprochen werden muss. Es braucht von uns eine Aufrichtigkeit und Sensibilität für die Situation. Es gibt auch nicht für alles Worte. Manchmal ist es einfach Stille, die man miteinander aushält. Manchmal ist es auch leichter, mit einer fremden, unbeteiligten Person über belastende Dinge oder Ängste zu sprechen, weil man die Liebsten schonen möchte oder nicht aufgearbeitete Konflikte in der Familie bestehen. Manchmal müssen Worte einfach fließen, ohne Antworten. Manchmal kann die Vermittlung einer ehrenamtlichen Begleitung durch den Hospizverein oder psychologische Hilfe Druck herausnehmen. Es kann auch angesagt sein, die Versorgung besser auf einer Palliativstation oder im Hospiz zu sichern. Für diese zusätzlichen Unterstützungs- und Versorgungsmöglichkeiten sind wir sehr dankbar und auch immer wieder darauf angewiesen.

Gab es etwas, das Sie lernen mussten?

Genau zu schauen, wozu sind die Angehörigen bereit, worauf kann der Patient sich einlassen. Und daraus dann das Beste zu machen, ohne sich selbst in Stress zu versetzen, weil man natürlich möchte, dass es optimal läuft. Das war ein Lernprozess. Wir sehen und denken sehr voraus, weil wir einfach wissen, wie schnell sich Situationen ändern können, wenn es jemandem schlechter geht. Aber jede häusliche Situation hat ihre eigene Geschwindigkeit, man kann nicht immer alles sofort klären, muss Geduld mitbringen und dann vielleicht am nächsten Tag nochmal das Gespräch suchen. Ich habe gelernt, das eigene Ideal loszulassen, weil es für die Betroffenen oder Angehörigen ganz anders aussehen kann. Da möchte jemand eben auf der Couch liegen oder in seinem alten Ehebett, das für eine Pflegesituation schwierig ist. Dann ist das so. Man kann viel reden und empfehlen, aber nichts erzwingen. Das ist eine Gradwanderung. Man lernt immer mehr, den jeweiligen Weg anzunehmen.

Bei aller Berufserfahrung sind Sie ja auch ein Mensch mit unterschiedlicher Tagesform. Ich glaube jeder, der von außen darauf schaut, hat großen Respekt vor den Herausforderungen, denen Sie sich stellen.

Erfahrung, Professionalität und Empathie, die wir alle mitbringen, helfen in allen Lagen weiter. Gleichzeitig dürfen wir uns gerade nicht von Emotionen davontragen lassen, dann könnten wir nicht hilfreich sein. Nähe und Distanz müssen beide da sein. Und natürlich gibt es Momente, die einem sehr nahe gehen, beispielsweise sehr junge Patienten oder Gleichaltrige oder wenn Kinder im Umfeld mit betroffen sind, die das ebenso aushalten müssen. Dann stehen auch mal die Tränen in den Augen. Aber wir bleiben handlungsfähig, das ist das Entscheidende.

Natürlich braucht es diese gewisse helfende Art, aber auch ganz viel Pragmatismus. Jemand, der eine Selbsterhöhung sucht, indem er gebraucht wird oder als Retter auftritt, das ist kein guter Ansatz und tut den Betroffenen auch nicht gut.

Was hilft Ihnen, mit der emotionalen Belastung umzugehen?

 Der Austausch im Team ist enorm wichtig. Wir sind ein gutes, harmonisches Team, verstehen und vertrauen uns. Wir unterstützen uns, das wirkt entlastend auch bei unterschiedlichen Sichtweisen. Unsere Dienstübergaben bieten die Möglichkeit, schwierige Situationen zu besprechen. Außerdem fahren wir auch mit den Ärzten auf Hausbesuche. Auch der Austausch ist dann schon wie so eine kleine Superversion.

Was schätzen Sie an Ihrer Arbeit? Was lässt Sie dabeibleiben?

Es ist ein besonderes Arbeitsfeld, das auch so manche Freiheit und Bereicherung mit sich bringt. Wir haben die Möglichkeit, uns Zeit zu nehmen, die nächsten Schritte zu besprechen, sich den Patienten und Angehörigen zu widmen, ein offenes Ohr zu haben. Anders als es im Rahmen der Pflege in anderen Bereichen möglich ist. Und obwohl der Weg gesetzt ist, dass der Tod kommen wird, können wir noch viel bewirken und hilfreich sein. Eine angemessene, abgesicherte Versorgung, angepasste Medikamente, damit jemand mit möglichst wenig oder gar keinen Beschwerden sterben kann und ein guter Abschied ermöglicht wird. Und dass die Angehörigen dann auch stolz auf sich und beruhigt sein können, es geschafft zu haben, gut mit dem Sterben umzugehen, und damit dann vielleicht besser weiterleben können.

Was wünschen Sie sich für die Zukunft der Villa Auguste?

Ich wünsche mir, dass sich das Tageshospiz etabliert. Es ist so viel Aufwand betrieben worden, es zu ermöglichen. Der Bedarf ist da und es ist eine gute Unterstützung und Entlastungsmöglichkeit gerade für jüngere Betroffene mit berufstätigen Lebenspartnern. Zudem wäre es wünschenswert, dass unser Brückenteam stabil und die Qualität unserer Arbeit trotz des steigenden Bedarfs erhalten bleibt. Außerdem, dass alle Hilfe weiterhin gut ineinander fließt und die intensive Zusammenarbeit mit Palliativstationen, Hospizen, Hospizverein und Pflegenden eine gute Patientenversorgung ermöglicht. Ein weiterer Wunsch wäre noch, dass die Pflege finanzierbarer wird beziehungsweise bleibt. Die Kosten für Pflegeheime und -dienste sind immer weiter gestiegen und für viele Menschen eine große finanzielle Herausforderung.

Interview: Diana Smikalla

 

 

 

Hospiz Villa Auguste Leipzig

Kommandant-Prendel-Allee 106
04299 Leipzig

Tel:  0341 / 86 31 830
Fax: 0341 / 86 31 8359

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Leitung

Beatrix

Geschäftsführerin und Hospizleiterin
Ivonne Hentschke

 

 

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Pflegedienstleiterin 
Konstanze Krusche

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